
Bio-Anbauverbände: Da gibt es doch auch „Gute“?
Die Bio-Anbauverbände (Bioland, Demeter, Naturland und Co.) werben damit, noch viel strengere Kriterien anzulegen als die EG-Bio-Richtlinie. Der Konsument*in wird suggeriert, dass es sich bei diesen Siegeln nochmal um eine ganz andere Kategorie handelt als „nur“ EU-Bio. Dabei geht es auch hier nur um lächerliche Veränderungen.
Haltung
Auch die Demeter- oder Naturland-Siegel verhindern Betriebe mit katastrophaler Haltung nicht. Sobald Menschen mit Tieren Geld verdienen, geht das zu Lasten des Tieres. Zudem sind Beobachtungen wie „Kühe auf der Weide“ oder „Henne mit vollständigem Gefieder auf der Wiese“ oftmals nur Momentaufnahmen und/oder Teilaspekte des gesamten Leidensweges. Die Tiere haben deshalb trotzdem kein „gutes Leben“ oder sind glücklich.
Die Regel ist (auch bei Bio), dass nur die Kühe auf der Weide sind, die gerade ein paar Wochen pro Jahr nicht gemolken werden. Etwa ein Viertel aller ökologisch gehaltenen Milchkühe lebt sogar in tierquälerischer Anbindehaltung. Auch bei Demeter ist der Weideauslauf nicht Vorschrift. Die Demeter-Richtlinie besteht bei genauem Hinsehen oft aus weichen Soll-Vorschriften und Grundsätzen, von denen Abweichungen erlaubt sind. Typischer Fall: „Das Haltungssystem soll den Tieren freien Kontakt mit ihrer natürlichen Umwelt (Sonne, Regen, Erdboden, u.a.) gewähren. Dies soll insbesondere durch Weidegang, zumindest aber Auslauf erfolgen.“ Das heißt: Statt einer Weide tut’s auch ein abgegrenzter Bereich auf dem Beton direkt am Stall. Wohlklingende Absichten können eben unter marktwirtschaftlichen Bedingungen nicht lange über dem ökonomisch Machbaren liegen, das die überprüf- und durchsetzbaren Mindeststandards definiert.
Auch voll befiederte „Legehennen“ auf der Wiese leiden erheblich unter der Qualzucht, fast täglich unter Schmerzen ein Ei legen zu müssen (natürlich wären ein bis zwei Gelege mit circa 10 Eiern pro Jahr). Es ändert nichts daran, dass auch dort im Schnitt 10 % der Hennen im jugendlichen Alter haltungsbedingt sterben, bevor sie – ebenfalls noch im jugendlichen Alter – im Schlachthof getötet werden. Auch den täglichen Stress wegen der viel zu großen Gruppen sieht man den Hennen oftmals nicht an. Ein befiedertes Huhn auf der Wiese bedeutet also noch lange nicht, dass es glücklich ist.
Keine systematische Lösung
Es gibt – unabhängig vom Biosiegel – tatsächlich Ausnahmehöfe, bei denen die Haltung augenscheinlich in Ordnung erscheint. Das sind jedoch nur sehr kleine Betriebe, die im Verhältnis zu ihrer Tierzahl sehr viel Fläche benötigen. Solche „Idyllhöfe“ stellen daher keine Alternative dar, um den Menschen flächendeckend tierische Produkte zur Verfügung zu stellen. Und zwar auch dann nicht, wenn etwas weniger konsumiert würde (der berühmte Sonntagsbraten): größenordnungsmäßig müsste man z.B. den Fleischkonsum schon auf wenige Tage im Jahr beschränken. Diese extrem teuren Produkte könnte sich dann nur eine privilegierte Oberschicht leisten.
Haltungsunabhängige Grausamkeiten
Auch abgesehen vom Platzangebot und der Ausgestaltung der Ställe werden den Tieren erhebliche Leiden zugefügt. „Bio-Milchkühe“ zum Beispiel müssen jährlich ein Kalb zur Welt bringen, um überhaupt Milch zu produzieren. Dafür werden die Tiere zwangsbesamt und Kuh und Kalb (je nach Biosiegel mal früher, mal später) getrennt. Dies ist für Mutter und Kind ein schwer traumatisierendes Ereignis. Man hört die Tiere oft tagelang nach einander rufen. Für die Kühe bedeutet das außerdem, dass sie die meiste Zeit ihres geschlechtsreifen Lebens gleichzeitig Milch geben und schwanger sind. Nach einigen Jahren des Kindergebärens sind sie ausgelaugt und „unproduktiv“ und werden weit vor ihrem natürlichen Tode geschlachtet. Auch die überzähligen Kälber werden nach kurzer Mast geschlachtet. Ohne diese Massentötungen ist Milchherstellung nicht möglich.
Auch in der Bio-Eierindustrie werden die Embryos der männlichen Küken größtenteils schon im Ei getötet, da sie ökonomisch wertlos sind. Alle Versuche, Hybridrassen systematisch einzusetzen, scheitern. Versuche, es anders zu machen, setzen sich aus ökonomischen Gründen nicht durch. Bemühungen, diese Hähne zu mästen, werden zwar pressewirksam immer wieder in Szene gesetzt, in der Praxis bleiben dies aber Einzelfälle zur Imagepflege der „Legehennen“-halter*innen.
Die Tötung
Was immer auch nach einem noch so vermeintlich glücklichen Leben folgt, ist die Tötung des Tieres. Das ist zum einen ein ethisches Problem an sich: Es gibt genügend praktikable, sehr gesunde, schmackhafte Alternativen, sich anders zu ernähren – man tötet also leidensfähige Tiere zur Erzeugung eines Luxusgutes. Zum anderen ist die Schlachtung als solche überaus grausam. Bio-Schlachtungen unterscheiden sich beim eigentlichen Schlachtvorgang nicht von den konventionellen Tötungsmethoden – lediglich in der Weiterverarbeitung nach der Tötung fordern die Bio-Siegel verschiedene zu erfüllende Kriterien. (Mehr Infos zur Schlachtung)
Beispiele: Bioland, Demeter und Naturland
Fazit
Auf der Suche nach der heilen Tierhaltungs-Welt werden Schlachtung, Zwangsschwängerung, Kindesraub, Verzüchtung, Freiheitsentzug und permanentes Ausgeliefertsein systematisch ausgeblendet. Fühlende Wesen werden zwangsläufig zu nichts weiter als Waren für menschliche Märkte degradiert – ob Demeter, bio oder konventionell. Die Suche nach dem Ausnahmebetrieb, bei dem man in einer Momentaufnahme vermeintlich glückliche Tiere sieht, dient der Beruhigung des Gewissens aller Menschen, die Fleisch, Milch und Eier essen möchten. So können sich alle weiterhin einreden, dass ihre Tierprodukte schon nicht so grausam hergestellt wurden. Denn: man kennt ja seine Fleischereifachverkäufer*in persönlich.
Stand: 10/2021 | Text: © Animal Rights Watch e.V. | Bilder: © Animal Rights Watch e.V.